blindfold variations III

reflexionen




Lui Janeles Dramatik der Körperlichkeiten entspringt nicht den Launen eines um seine Selbstbehauptung ringenden jungen Künstlers, sie ist tief verwurzelt in einem Boden, den einst Schnitzler, Freud und Schiele umgepflügt haben. Vereinzelt sind diese Spuren auch heute noch zu erkennen. Freilich sind die Blüten der Samen, die andere später gesät haben, heute nicht mehr von dieser drängenden Lust geschüttelt, die ihre Leiblichkeit willig einem tanzenden Tod dargebracht haben.

Was heute aus der gepflügten Erde sprießt, hat alle Lieblichkeit verloren. Es ist geprägt vom Blut körperlicher Zerstörung auf der Suche nach den leidvollen Tiefen des Lebens, und das verleiht ihr Glanz und Schönheit. Ein Maler, der sich dieser Schönheit hingibt, ist resistent gegenüber dem Zug der Zeit, Kunst der Dekoration zu opfern, die sowohl Fortschritt als auch Umsatz verspricht.

Lui Janeles dramatische Malerei und Graphik verspricht nichts. Sie zeigt auf. Hier ist der menschliche Körper vom Spielplatz der Jahrhundertwende zum Schlachtfeld der Gegenwart geworden, auf dem Differenzen im eigenen Ich oder im Ich der anderen, die sich selbst zu begreifen versuchen, ausgetragen werden.

Nein, seine Kunst hat nichts mit Gefälligkeit zu tun.

Seine Kompositionen sind raumgreifend und ungestüm, seine Ästhetik kennt keine Sentimentalität, seine Farbgebung ist schockierend und erzwingt die Entscheidung für oder gegen die Malerei. Diese Kunst gewinnt nur selten Schlachten und lässt dem Beschauer nur wenig Hoffnung. Sie dient nicht, sie fordert und gibt allen, die sich ihr hingeben, die Möglichkeit, ihre eigenen Tiefen auszuloten.

Kurt Goebel